Mit katharinajej in Köln

Meine Reise in C.s Wohnung am 20.1.2021 

Ich bin auf dem Fahrrad. Der Weg führt mich zurück in meine Vergangenheit. In dem Kölner Viertel in dem C. wohnt, lebte ich auch einmal.
Ich stehe bereits vor dem Haus. K.str. 1.
Das Klingelschild ist mit Handschrift beschrieben. Zwei Namen. Gut. Pärchen? WG? 

Ich steige die Treppen hinauf. Klein. Vielleicht, weil ich aus dem Altbau komme.
Dann. Groß steht C. vor mir. Er ist aus der Wohnungstür herausgetreten und grinst. Ich auch. Wahrscheinlich nicht zu sehen wegen der Maske.
Willkommensgeplänkel. Ich bekomme Salbeitee und erbetene Taschentücher.
Ach ja. WG. Es gibt ein Zimmer seiner Mitbewohnerin, das ich nicht betreten soll. C. bleibt. Ich auch. Erstmal. 

Wir beide im Wohnzimmer. Ich auf Holzstuhl am Holztisch auf Holzboden. Ein Knarzen. Er am Computer, leises Klicken.
Ansonsten Stille jetzt. Nur die Heizung plätschert, fließt.
Streichhölzer liegen auf steinernem Fensterbrett. Räucherhölzer unweit. 

Ich stehe auf und blicke durch das breite Fenster. Ich halte mir die Hände neben die Augen, um im Dunkeln draußen den Balkon zu sehen. Leer. Dahinter auf der Inneren Kanal blinkende Autos. Die Stadt und ihre Lichter. Nur ein entferntes Rauschen dringt durch die Scheibe, die jetzt von meinem Atem beschlagen ist. 

Eine Ukulele aus Holz steht in einer Zimmerecke.
Ein riesengroßes Klangspiel mit einem Hölzchen zum Anschlagen hängt in der anderen.
Ich gehe in C.s Zimmer.
Wer ist eigentlich C.?
Ich freue mich über verräterische Nachrichten auf Bildern:
„KeinE Jeck ist illejal.“
Mmmh. Irgendwie genderbewusst und kölsch.
„Und macht euch die Erde untertan“ – eine Hälfte der Weltkugel wird auf einer Zitronenpresse ausgepresst.
Ironisch. Gut. Antikapitalistisch.
Dann ein Bild ohne Schrift. Ein Mann mit schwarzer Jacke, blonden Haaren schaut mir direkt in die Augen. Die Augenbrauen sind skeptisch zusammengeschoben.
Wer ist das???? Der verstorbene Bruder, sein bester Freund aus Jugendzeit, oder ein Unbekannter? Ich lasse mich an C.s Schreibtisch aus Holz, auf einen Holzstuhl, nieder.
Was macht C. eigentlich? 

Ich lese was da so rumliegt.
Beobachterbogen -digitale Potenzanalyse der Thatbrücke. – Ist er Coach oder lässt er sich coachen? Ein kopierter Auszug eines Textes – klingt nach Psychologie. Studiert er das?
Eine To-do-Liste (alles durchgestrichen)
weekly
Ersatzplanung
Biebruch
Datum richtig?
Nicht durchgestrichen steht unten scribble.io.
Puh. keine Ahnung. Spielt er gerne im Netz?
Daneben liegt noch ein handgeschriebener Zettel. Dort lese ich etwas über einen Psychiater in Schaffhausen.
Also entweder ist er selbst auf der Suche oder wird es.
Dann liegt da zwischen den Papieren eine kleinen Tastatur, die man zum online spielen brauchen könnte und ein Glas Kokosöl!
Benutzt er das als Creme? Für seine Lippen? Oder snackt er das?
Als mein Blick zu seinem Bücherregal schweift, wird alles klar. Ein dicker Wälzer Psychologie winkt mir entgegen. 

Seine Kleidung hängt frei schwebend auf einer Kleiderstange an Kleiderbügeln. Dunkel. Aber auch Muster. Genau wie der Teppichboden in seinem Zimmer. Und im Flur. Und im Wohnzimmer. Orientalische Muster. Neben dem Teppich im Wohnzimmer steht ein langgezogenes Schränkchen. Darauf steht ein aufgeschlagenes Buch angelehnt an die Wand: Abgebildet sind zwei Teppiche. Ein Albanischer Knüpfteppich und ein Bukaresti Rumänien. 

C. schaut jetzt FC Köln auf dem Computer. Fußball. Aber mit Kopfhörern.
Ich bin im Flur. Ich fröstele ein wenig. Mir ist kalt. Gut, dass ich den Salbeitee dabei habe. Mir fällt die Decke auf, die vor der Haustüre am Boden liegt. Sie könnte ich mir jetzt um den Körper wickeln. Oder lieber nicht. 

In der Küche steht ein Stuhl zum Fenster gewandt. Ich setz mich darauf. Wo ist der Tisch? Platz wäre dafür.
Ein sehr großes Messer klemmt zwischen Fensterbrett und Arbeitsplatte. Kurz denke ich was das psychologisch bedeuten könnte. 

Dann betrachte ich das Schachbrettmuster am Küchenboden, die Kaffeemühle elektronisch, ein verwelkter Feldsalat in seiner Plastikschale und Kaba in einer gelben viereckigen Packung. Wow, dass es die noch gibt. Hatte ich so eine in klein in meinem Kaufladen als Kind? Oder hab ich mir nur immer gewünscht, solch eine würde bei uns in der Küchenschublade stehen? 

Ich mache den Kühlschrank auf. Extrem viel Senf.
Ich muss pinkeln und geh ins Bad. Toilette ausprobieren. Nach der Spülung geht die Lüftung an.
Ich mag die gläserne einfach Glasscheibe als Duschkabine. Dahinter auf sanft grauen Fliesen sehe ich Wasserperlen. C. hat wohl erst geduscht.
Ich fühle mich wie eine Detektivin.
Zwei Haarschneidescheren, Wimperntusche und Schminkutensilien stecken zusammen in einem Reissdorf Kölsch Glas über dem Waschbecken. 

Ich gehe zurück ins Wohnzimmer zu Zweigen die in einer gläsernen Vase stecken mit getrockneten roten Beeren dran. Kleine Zettelchen hängen an den Zweigen.
Ich lese: Glückseligkeit, n Haufen Tabak, Rumba, hoch die Tasse, köstliche Aussicht, no more crocodiles. 

Vielleicht sind das Neujahrswünsche. Aber von seiner Mitbewohnerin, weil die Schrift sieht anders aus. Ich vergleiche sie nochmal mit derjenigen auf einem Zettelchen, das auf dem Wohnzimmertisch liegt. Es ist noch eine To-do- Liste:
Fotoalbum 

Feuermelder
Steuer
Kalender
Alles nicht durchgestrichen.
Die Feuermelder hat er bereits gekauft. Die standen in seinem Zimmer auf einem Schränkchen. Aus Holz. Und darauf doch auch noch ein Senf. 

Ich sinke zurück auf den Holzstuhl, auf dem ich am Anfang saß. Puh. Ich bin erschöpft. Vom Wahrnehmen, dem Schreiben darüber, meinem Einsaugen der fremden Wohnung.
Ein leerer Holzrahmen hängt unbespannt an der Wand. Darunter C., am Computer.
Ich gehe zu dem großen Klangspiel in der Ecke, schlage es mit dem Hölzchen an. Es klingt länger und tiefer als ich erwartete. 

C. sieht nicht auf. Erst als ich ihn länger anblicke.
Wir reden über meine Reise bevor ich die Wohnung wieder verlasse.
Unten neben der Haustür liegt ein Türstopper aus Holz! auf dem steht: K.str. 1. Ich frage mich, wer hier schon mal den Stopper geklaut hat.

Text: © katharinajej 2021