12. Januar 2017 In Neukölln mit Adi Looper Zimmerreise #01 nach Neukölln, Mittwoch, 30.11.2016, 11 Uhr 247 mal drücke ich auf den Auslöser für 59 Motive. Später lese ich in meinen Notizen „Fotos[1] verweisen[2] auf Dinge[3]. Gedanken sprudeln[4]. Es ergeben sich zwei Bereiche: das Dunkle und das Helle. Weiß überwiegt.[5] In den Abseiten Dunkelheit.[6] Darin und dazwischen überall ich selbst.“ Ich erkenne, dass mir Sachlichkeit unmöglich ist[7] und greife zu den Bildern[8]. Nach weitreichenden Überlegungen nehme ich mir vor, die minimale Unsachlichkeit[9] zur Methode zu ernennen[10] und veröffentliche die 59 Motive zunächst im Showroom „Zimmerreisen#1“ des Instituts für ländliche Schönheit der Kunsthalle Below. ________________ [1] Fotos tauchen mich in Erinnerungen, Bilder, Worte, Momente. In eine Geschichte über meine erste Zimmerreise. „In eine Reise zu mir selbst, wie jede Reise – denn eigentlich begibt man sich ja auf Reisen um sich fort zu begeben. Abstand zu gewinnen. Doch zuweilen treten die Anliegen der Reisen in den Hintergrund und die vorgefundenen Erkenntnisse werfen dich auf dich selbst zurück, überraschenderweise finde ich mich tief in meinem eigenen Frauenzimmer wieder, um dort in Differenzen und Gemeinsamkeiten zu wühlen. Weshalb man auf die Reise gegangen war, tritt in den Hintergrund.“ lese ich später in meinen Notizen. [2] Mit Verweisen deutet etwas von sich selbst fort. In meine Richtung vielleicht, oder in die andere, von mir weg. Ins Hier oder Dort, Jetzt oder Gleich, meist auch ins Vergangene*. * Gebrauchsspuren, die das Eigenleben der Dinge mit sich bringt, umgeben ihre Wirte, die Dinge, mit der Bockigkeit des sich von mir weg in ein Eigenleben wachsenden Kindes. Ich zähle sie zu den Abseiten, nach denen ich ursprünglich hatte forschen wollen; bevor mich ein innerer Einwand, der etwas von Übergriffigkeit** quatschte, davon ab brachte. ** „Gutwillig mit dem Wirt, großzügig mit dem Gast!“ war eine Devise, die wir gemeinsam festgelegt hatten für die Zimmerreisen. Da sind „Abseiten“ – eng verwandt mit Abgründen – nicht das auf der Hand liegende Forschungsziel. [3] Dinge verweisen auf Bedürfnisse, Wünsche, Pläne, Anliegen. In Zimmern verweisen sie auf das Leben der Bewohner. Im Falle der Beta Okapi begegnete ich u.a. folgenden*: Hausbeschriftung, Klingelanlage, Türklinke, Hinweisschild, Treppenhaus, Ofen, Durchgang, Schürhaken, Zimmer, Zahn, Fenster, Kiste, Wand, Schürhaken, Lücke, Hausschuhe, Müsli, Stift, Pflanze, Vorhang, Fell, Sprungfedern, Plastikgitter, Flügelmutter, Papierkorb, Kamera, Streichhölzer, Zeichenpad, Datumsstempel, Stempelkissen, Arbeitshandschuhe, Tomate, Messer, Schiffchen, Vorhang, Bohne, Holzfußboden, Duschgelflaschen, Waschlappen, Matratze, Stiefeletten, Schuhspanner, Espressomaschine, Hülsenfrüchte, Rosmarin, Knoblauch, Brühwürfel, Werkzeugkoffe, „Hund“, Brille, Schrank, Deko, Seife, Tasche, Lippenstift, Ohropax, Uhr, Lampe, Dunkelheit, Trittleiter, Koffer, Kofferrollen, Plastiktüte, Kerze, Ofenklappe, Zettel, Vogelfutter, Hinweisschild * (Für die Erstellung der Liste diente mir die Maßgabe, lediglich ein einziges Wort pro Gegenstand zu verwenden. Sachlichkeit kann auch neuerliche Nebel erzeugen, stelle ich fest.) [4] Sie reisen nach Neukölln und in die von mir vor vielen Jahren bewohnte ähnliche Wohnung im Prenzlauer Berg. Ich versuche die Gedanken zu fangen. In Neukölln, bei der Wohnungs-Zwillingsschwester, zu bleiben. Im Angesicht der Fotos gelingt es mir, aber gleich machen sie sich wieder auf ins Ungewisse, in die große Meta-Wolke der Ideen, wo sie verpuffen im weiten Nichts des Driftens, wo ich sie hinter mir lasse wie abgelegte, vergessene Dinge des Alltags, mit denen ich visuelle und gedankliche Welten bereise. Denn das Reisen soll stets ein Fortgehen sein, so habe ich es gelernt, ein Sich-Einlassen auf das Fremde, nicht bloß Suchen nach dem deutschen Schnitzel. [5] Papier, Wände, Vorhänge, Dinge [6] „Knietief wate ich durch verworfene Pläne, stillgelegte Ideen, verstummte Ängste. Mit großen Augen glotzt mich aus dem Schatten jeden Glanzes mein eigenes Ringen um Übersichtlichkeit an.“ steht in meinem Notizbuch zur Begegnung mit den dunklen Ecken. [7] Was vielleicht gar nicht stört, denn die Blicke werden ihrerseits im Unsachlichen gefangen bleiben und aus dem, was sie sehen, machen, was sie wollen. [8] Dem Hort der Sachlichkeit. Der Blume der Bürokratie. [9] Minimale Unsachlichkeit beinhaltet das Streben nach Sachlichkeit und die Bereitschaft Unsachlichkeit hinzunehmen. [10] Wir gründen eine Agentur für Künstlerreisen. alle Bilder und Texte © Adi Looper 2016 weitere Reisen mit Adi Looper