Mit Sabrina Schieke
in Kreuzberg

Skizze #1
ZIMMERREISEN
12.02.2019
Besuch bei M.

Gestern noch kam mir die Idee, dieser Reise, recht abstrakt vor.

Ich steige am U-Bahnhof Boddinstraße aus und gehe die Flughafenstraße hinunter. Es gibt es sehr viele Second-Hand Läden. Allein auf dem Weg zu M‘s Wohnung zähle ich vier bis sechs Stück. Das Aussehen der Geschäfte ist unterschiedlich, einige sehen alt aus, als seinen sie schon seit vielen Jahren hier. Andere hübschen das Ganze ein wenig auf. SCHI SCHI ist das Wort das mir dazu einfällt. Eine Zeile aus einem Lied der Schauspielerin Hildegard Knef. Und so nimmt sich die Straße auch für mich aus. Grundsätzlich sehr hübsch aber doch ein wenig zu dick aufgetragen. M‘s Wohnung liegt an der Kreuzung Flughafen Ecke Reuterstraße. Direkt an einer Ampel.
Ich klingle bei S.. Aus der Gegensprechanlage höre ich M‘s Stimme.

Der Eingang zum Wohnhaus ist gedrungen. Die Wände sind weiß gestrichen , auf den Treppen ist ein dick gewebter rötlicher Teppich ausgelegt.
Auf dem zweiten und dritten Treppenabsatz scheint es mir, muss irgendwann einmal etwas ausgelaufen sein. An der Seite, an dem der Teppich die Wand mit den Fenstern zum Hof berührt, zeigen sich dunkle Verfärbungen.
Ich werde freundlich begrüßt und trete direkt in den Flur. Hinter mir wird die Tür geschlossen und ein schwerer türkisfarbener Vorhang fällt davor. Der Flur selbst ist eng und lang, mit einem Holzboden ausgelegt. Die Wände sind weiß gestrichen. Rechts gehen das Schlafzimmer und das Bad ab. Auf der linken Seite befinden sich keine Türen. Ein Regal und ein Kleiderständer stehen dort. M bietet mir an, dass ich meine Sachen dazu hängen kann.
Am Ende des Flures befindet sich das „Wohnzimmer“. Ein großer quadratischer heller Raum dessen Mitte freigehalten wurde. Wenige Möbel befinden sich hier. Dominiert wird der Raum von einer sehr großen Couch. Opulent und fast barock scheint sie der optische Mittelpunkt der Wohnung zu sein. Der brokatstoffartige rot gestreifte Bezug unterstreicht diesen Eindruck. Passend dazu befindet sich an der Wand zur Rechten der Couch ein Spiegel, der von einem Barockornament goldener Farbe gefasst wird. Kleine Voluten ranken sich um ihn und bilden den Rahmen für dieses voluminöse Arrangement.
Es fehlt diesem Ensemble jedoch nicht an Leichtigkeit. Fast scheint es mir so, als hätten alle Gegenstände und Möbel in M‘s Wohnung ihren natürlichen Platz eingenommen. Die Einrichtung wirkt wenig gesetzt. Und so schreit auch die Couch nicht nach der Aufmerksamkeit des Besuchers, sondern ist eingebunden in ihr bewohnt sein, das bewohnt sein der Wohnung.
Rechts, gegenüber der Couch befindet sich der Arbeitsplatz. Er ist der einzige Tisch im Wohnzimmer und steht an Größe dem Sitzmöbel in nichts nach. Ein Laptop und ein Bildschirm befinden sich auf ihm. Papier und Stifte daneben. M arbeitet im stehen, während ein Bein auf einem Sitzhocker ruht, der mit hell braunem Velours Leder bespannt ist.
An der Wand an der, der Schreibtisch steht, wie auch überall in der Wohnung, gibt es wenig Zierrat. Eine kleine Ecke ist für Fotos von M und ihren Freunden vorbehalten. Diese sind mit verschieden Farbigen Klebebändern angebracht ohne Rahmung ohne viel SCHI SCHI. Gegenstände wie Wäschetrockner oder Aktenordner welche die ständige Wiederholung unseres Alltags stützen, lehnen mühelos an den Wänden. Und so nimmt sich für mich aus als hätte hier alles seinen Platz durch Nutzung gefunden. M‘s Möbel und persönliche Dinge haben ihren Platz innerhalb der Wohnung gefunden und sind dort einfach liegen geblieben.